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Wer nie verliert...

Kärnten hat für immer verloren“, trommelte der geschätzte Kollege Georg Holzer vor einigen Tagen voll Emotion, Wut, Unverständnis und Kampfgeist in die Tastatur, um damit einen aufrüttelnden Beitrag zum Kärntner Landesfeiertag am 10. Oktober zu leisten. Zeilen, die auch am Eisbären nicht ohne Nachdenkprozess vorbeigingen. Deshalb bieten die nachfolgenden Ausführungen eine Art Replik, die zur Abwechslung nicht in der dritten Person formuliert sind. Mit vielen Aspekten in „Kärnten hat für immer verloren“ kann ich mich inhaltlich identifizieren – in manchen Bereichen widerspreche ich, möchte ich Gegenargumente, weitere Fragen, vielleicht aber auch den einen oder anderen Lösungsansatz einbringen.

Die Auswanderungswelle nach Wien, Graz etc. oder ins Ausland ist in Kärnten definitiv kein Phänomen der letzten Jahre. „Der Aderlass an geistiger Kapazität, den dieses Land erleiden muss, ist nicht nur schlimm. Er ist existenzgefährdend“, schreibt Georg Holzer. Das erleben wir seit Jahren. Das Land (und das Denken vieler hier Lebender) ist seit Jahrzehnten Unzähligen zu eng geworden – egal ob Kulturschaffenden, Wirtschaftsexperten oder technologieaffinen Zeitgenossen. Die politischen Repräsentanten (egal welcher politischen Partei sie auch angehörten) haben nie versucht diese Tendenzen zu stoppen, vielmehr wurde unbequeme und querdenkende Menschen einfach ziehen gelassen um den Widerstand zu minimieren.

Ich behaupte, dass diese Entwicklung, dieses Ausbrechen prinzipiell für den persönlichen Reifungsprozess von Individuen essenziell sein kann. Das ist nicht das Problem, aber warum muss so treffend festgestellt werden: „Wer ging, kam nie wieder zurück“. Was steckt dahinter? Warum kommt fast niemand mehr zurück? Sind das nur wirtschaftliche Überlegungen, sind die monetären Anreize für eine berufliche Tätigkeit anderswo wirklich so viel besser? Intellektuelle Leere und geistiger Stillstand sind ein gesamtgesellschaftliches Problem, das zunehmend offensichtlich wird. Und wir sind alle zumindest Mitschuld an dieser Misere, weil wir uns in die „Innere Emigration“ zurückziehen oder einfach auswandern. Weil wir eine Kultur der Gleichgültigkeit und Engstirnigkeit akzeptieren und nur ja nicht anecken wollen.

Ich bin auch einer von jenen, die auszogen um dieses katholisch-bäuerliche Milieu hinter sich zu lassen. Der sich nicht von latent vorhandenen depressiven Grundtendenzen fesseln lassen wollte. Ich habe in schweizerischem Schwefelwasser gebadet, türkische Teestunden erlebt, von den Felsen Gibraltars gelacht, ob der Schönheit des Ozeans geweint, mich über die niederösterreichische Landespolitik geärgert (die auch zur Mittelmäßigkeit verdammt ist), die Eleganz färöischer Schafe bewundert, barfuß auf dem Broadway getanzt, in Moskau diversen Destillaten und exzeptionellen kulturellen Leistungen gefrönt, bin auf südafrikanische Berge geklettert, mit Flip-Flops durch Canyons gewandert, habe mit gebrochenen Russisch bestechliche Polizist beschimpft, über Österreichs Politik und die orange Revolution gesprochen, in Townships selbst gebrautes Bier getrunken etc…

Ich bin vor einigen Jahren nach Kärnten zurückgekehrt. Vielleicht auch um mir selbst zu beweisen, dass eine solche Rückkehr funktionieren kann, ohne moralisch zu verrotten. Ob die Übung gelungen ist, wage ich nicht zu beurteilen. Ob ich gekommen bin um zu bleiben oder Kärnten doch nur eine Zwischenstation bleibt und ich wieder aufgeben werde? Derzeit schließe ich mich der Drohung von Georg Holzer an: Ich bleibe hier! Zugegeben, wahrscheinlich habe ich mich auch irgendwie mit den Zuständen arrangiert – nicht aber mit den verantwortlichen Entscheidungsträgern und Machthabern. Die werden meine Kritik immer wieder zu hören/lesen/sehen bekommen – in Form kleiner Nadelstiche. Ich lasse nicht zu, dass in diesem Land alles Neue erst einmal als Bedrohung gesehen wird. Ich werde andere noch mehr darauf aufmerksam machen und mir den Blick über den Tellerrand nicht verbieten lassen. Ich werde meine eigenen Vorurteile abbauen und weiterhin das Gute im Menschen sehen und versuchen zu fördern. Dieses Land ist viel zu schön und vielfältig um es aufzugeben, um es endgültig in die Verliererecke zu drängen. Das darf und wird weder Bierführern, noch Campingplatzbetreibern, noch Großbauern, Rohrkrepieren oder Kaiser-Eierlieferanten gelingen. Lernen wir aus dem Blick in den Abgrund, atmen wir die aus den Gräben strömende Luft ein und nützen wir sie um uns Gehör zu verschaffen anstatt davon zu laufen. Entwickeln wir gemeinsam eine Vision für dieses Land!
Und ja, es gibt viele die dieses Land besser lenken und repräsentieren könnten als die Scheuchingers, Dörflingers und Martinziganserln. Eines Tages werden sie hoffentlich die Möglichkeit bekommen, das zu beweisen. Gelingen wird das nur wenn wir alle daran arbeiten – Eltern, Pädagogen in Kindergärten und Schulen, Freunde, Kollegen, Bekannte, Exil-Kärntner, Rückkehrer, Urlauber, Besucher, Wirtschaftstreibende, Intellektuelle und die Träumer, Tramps und Clowns dieser Gesellschaft müssen wir wieder hören und ernst nehmen. Erst dann haben wir den Sieg über die Mittelmäßigkeit verdient…

Kommentare

Anonym hat gesagt…
was haben sie selbst getan, um kärnten zu verbessern ?
sind sie schon einmal aktiv gegen diese meinung aufgetreten und haben FÜR ihr land gesprochen? wohl kaum.

gehen ist wohl das einfachste
alles schlecht reden ist noch einfacher
und wenn man so klug ist, muss man wohl aufpassen, alleine übrig zu bleiben
vielleicht ist es sogar besser, wenn menschen wie sie nicht mehr hier leben,
nicht mehr in den genuss dessen kommen, was kärnten zu bieten hat und sich mit türkischen verhältnissen zufrieden geben - dort ist es sicher besser
chinatown hat gesagt…
Wer nie verliert...
kann nie gewinnen!
Anonym hat gesagt…
Lieber Herr Anonym!
Ich kann ihnen eines sagen.....
1.)Nur zur Info!!! Ja, ich habe mich nach meiner Rückkehr nach Kärnten der Opposition angeschlossen, um gegen kriminelle Politiker die dieses Land vergifteten zu marschieren.
2.) Wenn sie ihren Hintern nur einmal in ihrem Leben über die von uns allen geliebten Grenzen begeben hätten, dann würden sie in ihrer Engstirnigkeit wissen, wie es ist am anderen Ende der Welt zu arbeiten und zu leben und sich selbst dort für die Kärntner Landespolitik schämen zu müssen.
3.) Das schlimmste jedoch ist, dass man mit Auslandserfahrung und akademischen Abschluss in diesem heruntergewirtschaftet Land nicht einmal mehr die Chance hat einen vernünftigen Job zu finden. HIER SOLLTEN UNSERE LIEBEN „Braumeister“ und „insolventen Autoschieber“ mal ein Zeichen setzen. Einfacher ist es halt Monate über unser Stadion zu diskutieren bzw. Jahre lang über Ortstafeln zu streiten.
eisbaerhelmut hat gesagt…
@anoym1:
- ich versuche kärnten zu ändern, indem ich versuche menschen die engstirnigkeit zu nehmen. bei Ihnen scheint das wohl ein ding der unmöglichkeit!
- ich spreche sehr oft für kärnten - aber eben nicht für die verantwortlichen politiker
- ich rede nicht alles schlecht, sondern zeige fehlentwcicklungen auf
- genau menschen wie Sie sind es, warum so viele andere auswandern. offenbar sehr wenig toleranz und weitblick...

@chinatown: genau! wer nie verliert, hat den sieg nicht verdient. aber irgendwann könnte kärnten dann schon mit dem verlieren aufhören, oder?

@anonym2: danke für die replik auf anonym1. so drastisch hätte ich es nicht ausgedrückt. aber inhaltlich volle zustimmung!!