Direkt zum Hauptbereich

wir sind so frei...

Die Idee eines Freistaats Kärnten: Faschingsscherz oder ernstzunehmende politische Vision? Ein Gespräch mit dem Historiker Wilhelm Wadl, Leiter des Kärntner Landesarchivs

Eisbaerhelmut: Herr Wadl, die Idee eines Freistaats Kärnten ist in den letzten Jahren immer wieder aufgetaucht, wohl auch um die Sonderstellung Kärntens zu unterstreichen. Gibt es dafür eigentlich historische Vorbilder? 
Wadl: Es gibt durchaus Vorbilder. Diese Idee hat es schon im Jahr 1918/1919 gegeben. So unter dem Motto „Kärnten den Kärntnern, nicht den Berlinern, nicht den Wienern und schon gar nicht den Serben“. Solche Ideen gab es damals aber auch in Tirol, um Tirol als Ganzes zu retten.

Eisbaerhelmut: Hinter diesem Freistaat sehen Sie also einen realen Hintergrund? 
Wadl: Nein, heute ist das doch nur Politfolklore! Aber natürlich auch ein Zeichen einer gewissen Oppositionshaltung gegenüber Wien und der Zentrale, das haben die Kärntner immer schon verstanden. Der frühere Landeshauptmann Leopold Wagner hat Verträge geschlossen und Aufholmilliarden geholt, mit einer hemdsärmeligen Oppositionsgeste gegenüber Wien. Und Jörg Haider hat das dann eben auch gemacht. Es ist das legitime Recht aller, aus diesem Partikularismus etwas heraus zu schlagen.

Eisbaerhelmut: Jörg Haider hat immer wieder diese Idee eines Freistaats Kärnten ins Gespräch gebracht. Ernsthafte Überlegungen waren also nicht dahinter? 
Wadl: Nein. Das sollte keiner ernst nehmen, und auch Haider hat das nicht ernst genommen. Der Freistaat Bayern ist ja auch Politfolklore. Wobei man dazu sagen muss, dass die Souveränitätsrechte der deutschen Bundesländer weit über jene der österreichischen zu stellen sind. Dazu hat Bayern eben noch einige symbolische Extrarechte und nennt sich Freistaat.

Eisbaerhelmut: Und ist ganz nebenbei das große Vorbild für Kärnten?  
Wadl: Es ist natürlich ein Kokettieren mit diesem bayerischen Vorbild. Nur – die Bayern können das aus einer Position der Stärke heraus tun. Und die haben wir definitiv nicht, das ist der große Unterschied. Die Münchner können mit ihrer wirtschaftlichen Potenz locker auf den Tisch hauen.

Eisbaerhelmut: Das zeichnet Kärnten ja nicht unbedingt aus… 
Wadl: Genau. Wobei, wenn man sich die wirklich aussagekräftigen Bundesländer-Rankings anschaut, liegt Kärnten gar nicht so schlecht. Zum Beispiel das Kaufkraftranking: da sind nämlich die Tiroler die ärmsten, dann Salzburg, und Kärnten liegt an fünfter Stelle. Es kommt eben nicht nur darauf an, was man zu Monatsbeginn in der Brieftasche hat, sondern vor allem, was man sich dafür kaufen kann. Und manche Lebensfaktoren sind in Kärnten erwiesenermaßen billiger als im Westen, in dieser Hinsicht sollte man Kärnten also nicht Schlechtreden. Das regionale Wohlstandsgefälle in Österreich ist mittlerweile ziemlich gering. Die wirtschaftliche Entwicklung in Kärnten seit Ende des 2. Weltkriegs darf man nicht unterschätzen.

Eisbaerhelmut: Wobei die Kärntner Wirtschaft eben sehr klein strukturiert ist.  
Wadl: Ja, aber wir haben gar nicht wenige Marktführer in diesem mittelständischen Bereich. Vom soliden Maschinenbauer über Feinmechaniker bis zur Elektronik. Es fällt eben vielfach nicht auf, aber wenn man zum Beispiel zu einer Baustelle kommt, dann steht auf vielen Betonmischern „Schwing“ drauf, die kommen aus dem Lavanttal. Und eines ist wichtig – es sind enorm viele qualifizierte Arbeitsplätze gewachsen.

Eisbaerhelmut: Trotzdem müssen oder wollen viele Kärntner auswandern, weil sie hier keinen adäquaten Job finden. 
Wadl: Sie müssten nicht, wenn sie in ihren Studienentscheidungen flexibel genug wären. Bei Infineon in Villach sind Akademiker aus vielen Nationen beschäftigt, aber zu wenige Kärntner. Leider sind wir offenbar zu technikfeindlich, und viele haben die falschen Studien. Aber da ist mit öffentlichem Geld schon viel passiert. Lake Side Park, Technikfakultät, Fachhochschulen. Da sehe ich Kärnten schon ein bisschen auf der Überholspur.

Eisbaerhelmut: Sind die Berge an der nördlichen Landesgrenze, die Hohen Tauern, die Pack, auch so etwas wie eine geistige Grenze? 
Wadl: Nein, das würde ich nicht sagen. Früher hat es diese geographischen Barrieren natürlich gegeben. Wir waren ja wirklich sehr lange abgeschnitten. Aber heute geht das irgendwie schon wieder in die andere Richtung, da gibt es groteske Abwehrbewegungen gegen den Ausbau der S37, obwohl das notwendig ist, um das wirtschaftliche Überleben dieser Regionen zu sichern. Und natürlich waren wir ja auch in Richtung Süden abgeschnitten, das darf man nicht vergessen. Aber jetzt ist das auch offen, und Laibach ist nur einen Katzensprung entfernt. Viele Kärntner konsumieren dort auch fleißig – vom Flughafen, bis zur Laibacher Oper, dem Markt und ähnlichem. Diese Abkapselung hat es früher nicht in diesem Ausmaß gegeben, obwohl es verkehrsgeographisch sicher Gründe gegeben hätte. Und heute gibt es die auch nicht mehr.

Kommentare