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brokeback mountain...

Eine historische Kultstätte. Ein ungewöhnliches Gasthauspaar. Ein Wallfahrtsort. Schwule Reiter. Der Danielsberg in Oberkärnten ist besonders und doch ganz normal.

„Als ich jung war hab ich immer davon geträumt eine Insel in Australien zu haben, jetzt habe ich einen Berg in Österreich.“ Shane Sansom lacht über das ganze Gesicht und rührt mit einem übergroßen Kochlöffel in einem Topf Bärlauchsuppe. Daneben schmort eine Lammkeule vor sich hin. Ein würzig-süßlicher Duft verbreitet sich in der Küche. Hannes Viehhauser ist dabei die letzten Frühstückstische im Gastraum des Herkuleshofs auf dem Danielsberg abzuräumen, danach wechselt er die Funktion und sorgt für Ordnung in den Gästezimmern. Trotz der fehlenden Insel gibt es genügend Wasser auf dem Danielsberg. Auf dem etwa 40 Meter langen und vielleicht 20 Meter breiten Naturteich vor dem Herkuleshof treibt ein oranges Tretboot, Regentropfen fallen beinahe bedächtig auf die Wasseroberfläche und ziehen elegante Kreise.


Der Herkuleshof liegt auf 960 Meter Seehöhe auf dem Danielsberg. Der Berg ist eine skurrile Erscheinung, ein Felskegel, der von der Eiszeit freigelegt wurde und der bei Kolbnitz völlig unmotiviert mitten im unteren Mölltal steht. Auf dem Gipfel, wie es sich für das religiöse Oberkärnten gehört, befindet sich eine kleine Kirche, die von Wallfahrern gern besucht wird. Vielleicht 200 Meter unter der Kirche St. Georg liegt, umgeben von einem Wald, der wie der ganze Berg zum Landschaftsschutzgebiet gehört, der Herkuleshof. Ein schmuckes und etwas kitschig anmutendes Gasthaus, das einst als Jagdhaus für Kaiser Franz Josef errichtet wurde. Zu Gast war der Kaiser hier jedoch nie. 
Heute dürfen die Gäste sich hier als Kaiser fühlen, egal ob Familien mit reitbegeisterten Kindern, Paare, die dem Alpintourismus frönen, Wanderurlauber, Ausflugstouristen, Wallfahrer oder Motorradfahrer. 1992 sind Hannes und Shane zum Herkuleshof gekommen. Hannes ist der jüngste Spross der Familie Viehhauser, die den Betrieb 1955 in eher desolatem Zustand erworben hatten. Anton war als Gasthauserbe vorgesehen, doch der hat es vorgezogen in Hamburg einen erfolgreichen Weinhandel aufzuziehen. Josef war ebenfalls in der Hansestadt als Gastronom erfolgreich. Nachdem ein weiterer Sohn der Gastronomie den Rücken gekehrt hatte und die einzige Tochter von einem anderen Gastwirt nicht ganz selbstlos „weggeheiratet“ wurde, war Hannes am Zug. 
Seinen Partner Shane, er stammt aus Neuseeland, hat Hannes in Sydney kennengelernt, wo er zuvor einige Jahre gearbeitet hatte. „Dass zwei schwule Männer Anfang der 90er Jahre im Mölltal ein Gasthaus betreiben, dass hatten wir eigentlich nicht ernsthaft geplant“, sagt Hannes, der nicht glaubt, dass das eine besonders mutige Entscheidung war. „Ich würde eher sagen es war naiv, mit Mut hatte das nichts zu tun. Wir waren jung und dumm und frisch verliebt“. Sie sind dann aber doch gekommen um zu bleiben, und 1999 hat Hannes den Herkuleshof dann offiziell übernommen. Die Eltern haben sich in Kolbnitz ein Haus gekauft und sich in den wohlverdienten Ruhestand zurückgezogen. 

Im Vorraum bellt Haus- und Hofhund Lisa, die graumelierte Dame kündigt freudig die Ankunft von Tante Greti an. „Hannes, heute kommst aber wieder überhaupt nichts weiter!“, schimpft Greti zur Begrüßung. Die 76-jährige, die einige Kilometer entfernt wohnt, ist die graue Eminenz des Hauses. Eine Art Hausmeisterin, die für Recht und Ordnung sorgt. Sie kümmert sich um den Tierpark mit Hasen, Pfauen und Chinchillas. Sie sorgt dafür, dass die Wäsche gewaschen und gebügelt ist. Nach langen und arbeitsintensiven Tagen klagt sie über Rückenschmerzen, die sie gerne in Kauf nimmt, weil die Arbeit sie glücklich mach. Glücklicher als würde sie nur zuhause sitzen. Koch Josef aus der Slowakei sorgt seit fünf Jahren für Unterstützung, im Sommer helfen Ferialpraktikanten. 
Shane hat sich mittlerweile vorübergehend verabschiedet. Sein Pferd hat sich vor einigen Tagen am Fuß verletzt, die Wunde muss jetzt viermal am Tag behandelt werden. Die Zeit als Herren über den Herkuleshof hat bei den beiden keine Wunden hinterlassen. „Es hat nie ein Problem gegeben und ich kann auch mit keinem Skandal dienen. Die Leute wollen immer hören, dass ich beim Einkaufen in Kolbnitz angespuckt und mit Tomaten beworfen werde, aber dem ist nicht so.“ Gerede habe es natürlich gegeben, vor allem bei der Gasthausübernahme, die Leute haben sich gefragt ob das gut geht. Negativ hat sich das aber nicht ausgewirkt. „Das Anderssein hat dem Geschäft wahrscheinlich sogar gut getan. Die Neugierde der Menschen ist ein starkes Motiv überhaupt irgendwo hinzugehen.“ 


Ungefähr 10% der Gäste im Herkuleshof sind homosexuell. „Ein schwuler Gasthof allein wäre doch langweilig. Ein Gasthaus ist doch auch immer ein Spiegelbild der Gesellschaft, jeder ist willkommen.“ Mittlerweile seit 2 Jahren gibt es eine Kooperation mit einem Reitstall in Penk, schon zuvor war die Idee zu „Brokeback Mountain“ entstanden. Homosexuelle Männer treffen sich zum Wander- und Reiturlaub. Eine Themenwoche mit Aktivitäten wie Reiten, Klettern, Wandern und Goldwaschen. Mittlerweile hat sich diese Aktion aber wieder im Sand verlaufen. „Die Teilnehmerzahlen haben sich immer in sehr überschaubaren Grenzen gehalten. Der Reitsport ist in Schwulenkreisen noch nicht so verbreitet. Aber mittlerweile boomt das Reiten und vielleicht probieren wir es in einigen Jahren wieder einmal.“ Für gute PR hat Brokeback Mountain auf jeden Fall gesorgt und so gibt es zwischendurch immer wieder Veranstaltungen für diese Zielgruppe. „Aber das läuft meistens eher über private Kontakte. So unter dem Motto – ich kenn zehn Schwule die reiten oder Motorradfahren.“ 
Die Zukunft ihres Hauses und der Region sehen Shane und Hannes im Alpintourismus. „Unverbrauchte Natur wird irgendwann ein sehr großer Bonus und genau das können wir bieten.“ Sie fühlen sich sehr wohl in ihrem Kleinod, das altersbedingt immer mehr zum „coolen“ Kleinod wird. „Mit 25 sind Drogen, Sex und Alkohol lustiger. Da findest du frische Luft, schöne Natur und frisches Wasser noch nicht so wichtig.“ Und Tretbootfahren im Alter hat doch auch viel mehr Stil.

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