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Die suchende Partei

Die leitartikelnden Gedanken des Eisbären zum aktuellen Zustand der SPÖ. Erschienen am 15. August in der Kleinen Zeitung. 

Das Beraterdesaster der SPÖ offenbart ihre anhaltende Orientierungslosigkeit. In welche Richtung die Sozialdemokraten gehen sollen, wissen sie nicht.


Die Ironie des Schicksals hat hier in besonders feiner Ausprägung zugeschlagen. Ausgerechnet der als Guru des „Negative Campaigning“ geltende Tal Silberstein sorgt dafür, dass sich die SPÖ in einem Negativwahlkampf wiederfindet, in dem mehr über Befindlichkeiten als über Inhalte diskutiert wird. Die Verhaftung des Kanzlerberaters in Isreal direkt mit der SPÖ in Verbindung zu bringen, ist billig. ÖVP und FPÖ werden das Thema in den kommenden Tagen trotzdem genüsslich breittreten.

Die SPÖ hat sich das neuerliche Beraterdesaster, nach internen Rempeleien und Rücktritten, auch selbst zuzuschreiben. Strafrechtliche Vorwürfe gegen Silberstein waren schon länger bekannt, trotzdem wollte Bundeskanzler Christian Kern nicht auf dessen Dienste verzichten. Fehlende Entscheidungsstärke wird dem SPÖ-Chef nicht zum ersten Mal zum Verhängnis. Statt mit dem polarisierenden „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“ im Wahlkampf durchzustarten, ist jetzt wieder Schadensbegrenzung angesagt. Der Wildwuchs an Beratern und Strategen, der sogar Stefan Petzner zum Thema werden ließ, offenbart zudem ein veritableres Manko der Partei: Sie sucht sich nach wie vor selbst.

Wie in den letzten Jahren, Jahrzehnten. In ganz Europa. Bis Mai 2016 waren sich die Kritiker zumindest einig, wer in Österreich schuld ist: Werner Faymann. Zu wenig kämpferisch, kantig, intellektuell, links, sei dieser, hieß es. Mit Christian Kern kam neue Energie. Nach dem rhetorischen Feuerwerk zu Beginn zog sich der begeisterte Sportler Kern beim breiten Spagat zwischen links und rechts aber bald eine Muskelzerrung zu. Eine Ceta-Umfrage unter den Mitgliedern gemacht, dann doch unterschrieben. Maschinensteuer angekündigt, bald wieder abgeschwächt. Mehrfache Kurswechsel in der Flüchtlingsfrage. Keine klare Position beim Thema Rot-Blau.

Wofür steht die Sozialdemokratie im Jahr 2017? Soziale Gerechtigkeit. Jene Menschen zu vertreten, die sich um ihren Job, ihre sichere Pension und die Bildung ihrer Kinder Sorgen machen, klingt vernünftig. Die Inszenierung als Klassenkampf kommt aber eher verzweifelt daher. Kern wirkt in der Kampagne nur bedingt authentisch.

Die SPÖ wird längst nicht mehr als Gegenpol zum Establishment wahrgenommen, sondern als Teil desselben. Eine stärkere Ausrichtung nach rechts, um von der FPÖ die Arbeiter zurückzugewinnen, oder europäische Solidarität? Auch hier wurde die Richtung immer wieder korrigiert. Es bleibt ein strategisches Dilemma. Kern verweist gerne auf seinen 200 Seiten starken Plan A und kritisiert, völlig zu Recht, die fehlenden Inhalte der ÖVP im Wahlkampf. Und trotzdem scheint es, als ob deren Chef Sebastian Kurz jene Themen vorgibt, die breit diskutiert werden. Agenda-Setting gelang der SPÖ bislang nicht.

Der Kanzler steht mit dem Rücken zur Wand. Vielleicht ist genau das seine Chance. Wenn er sich mehr auf seinen politischen Instinkt verlässt. Und nicht auf ein Beratergeflecht.

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