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auf der anderen seite

Auf der anderen Seite suchst du in der Weite die Ferne, an die du so gerne gedacht und wo du Stunden hast verbracht. Im Geiste wandern wir federnden Schrittes durch dieses Land der Träume. Seite an Seite, auf der anderen Seite. Wie bescheidene Wanderer zwischen den wohlig-warmen Welten, die selten als Ziel eines Lebensweges gelten und doch der Beginn einer wunderbaren Reise sind.  Die wuchtigen, selbstbewusst verwinkelt wachsenden Bäume spenden Schatten, der zarte Wind erquickt ihr Gemüt. Der saftig grüne Moosboden ist sanft wie deine Stimme und weich wie dein Herz. „Den Schmerz werde ich nicht vermissen“, flüsterst du mir zu, während die Singvögel das Frühlingserwachen zelebrieren – fast als würde ein Taktstock Walzerklänge dirigieren. „Viel Vergnügen“, scheinst du ihnen zu rufen. Beschwingt und frei gleiten sie durch die Luft. Die dunkle Gruft ist doch nur eine irdische Bastion, eine Zwischenstation, ein Fehltritt im Walzerschritt.

„The grass is always greener on the other side”, hämmert es in meinem Kopf. Und als Beweis dient der paradiesisch grün gefärbte Rasen, auf dem Mensch und Tier so friedlich grasen. Und lachend öffnest du das liebevoll geschnitzte Tor zu deiner neuen Welt – stolz und doch bescheiden verkündest du: „That’s my green green grass of home now.“ Ein grün so satt und voller Lebensadern – das ist kein Grund zum Hadern. Hoffnungslos, die Hoffnung bin ich längst schon los? Nein, das ist dein grünes Kap der Erlösung, der Auferstehung, der Hoffnung. Das Tränenmeer verwandelt in ein Blütenmeer. Die Blüten so weiß wie deine Seele, so rot wie dein liebendes Herz, so blau wie die Augen, aus denen unaufhörlich Tränen fallen.  Des Lebens Allegorie trifft Elegie. „Immer waren wir nie am Meer“, sage ich traurig. Wie ein formloses Nichts. Doch du zeigst mir das Blumenmeer, das dein Herz so sehr erfreut. „Das Meer ist hier in mir“, antwortest du. Und du erzählst von den Fluten, die dich überfluten. Und von der Qualle, die der Koralle all ihre Qualen entriss. Gerissen ist die Lebensader nur für jene, die an die weltgewandte Wanderung nicht glauben wollen.

Voller Sehnsucht blicken wir erneut in die Ferne. Nein, die Reise ist hier noch nicht zu Ende - also schnüren wir behände das Schuhwerk, das uns soll tragen ohne wehen, ohne klagen. Der heimatlichen Sonne, die uns so oft verzückt hat in Wonne, marschieren wir entgegen. Vom Aufgang bis zum Untergang leuchtet sie für uns – kräftig, farbenfroh, liebevoll.  Stundenlang schweben wir über Wiesen, Wälder, felsige Wände. Ziellos, Schritt für Schritt, schweigend, weinend, lachend. Die Hügel, der Graben, der eiskalte, rauschende Bach, der glänzende Gipfel – sie rufen dich, wollen deine Stimme hören, darauf könnte ich schwören. Du atmest ein mit allen Sinnen – den Duft der Kräuter, den Flügelschlag der Adler, das Knarren der  Holzschindeln auf dem Dach. Und den Blick von dem Gipfel, den wir nach Stunden erreichen. Zufrieden schaust du zum Himmel, der dich umarmen will. Und du hast erbarmen und legst dich zur Ruh.

Kommentare

Kolibri hat gesagt…
...und dann endlich, lass ich dich los. lass dich gehen und es zerreißt mir fast mein herz - dieser unbändige schmerz. so muss es sich anfühlen, wenn ein messer gleitet direkt in meine brust. bin ich zu selbstbezogen, frag ich mich? weil ich einfach nur will, dass du bleibst - bei mir. für immer.