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aladin und die stehlampen...

Es gibt Augenblicke und Erfahrungen im Leben eines fußballaffinen Zeitgenossen, die wohl für ewige Zeiten unauslöschbar im Gedächtnis bleiben. Der Eisbär darf sich glücklich schätzen, solche Momente am gestrigen Abend erlebt zu haben. In der Jörg-Haider-Millionengrab-Memorial-Arena wurde zum fröhlichen Ballesterer-Tanz gebeten - SK Austria Klagenfurt, der wahrscheinlich einzige im 21. Jahrhundert gegründete „Traditionsklub“ dieser Welt, hatte in der neunten Runde der dritten Leistungsklasse des österreichischen Fußballs das Amateurteam des mit einer Nuance mehr Tradition gesegneten LASK zu Gast. Ein Geisterspiel wirkt dagegen wie ein brodelnder Hexenkessel. Offiziell verirrten sich 350, offenbar leicht sadistisch veranlagte Fans in das schönste U-Boot Kärntens, das 30.000 Zuschauer fasst und im Sommer 2012 von Star-DJ David Guetta bis auf den letzten (Tabellen?)Platz gefüllt werden soll. Vorausgesetzt der Präsident des „Traditionsklubs“ findet bis dahin die Telefonnummer des guettaischen Managements.
Die diesem Spiel beiwohnenden (zum Glück nicht beischlafenden…) Individuen und das gesamte Umfeld zeichneten ein wunderbares Spiegelbild unserer Gesellschaft. Der Presse- und Stadionsprecher, der nebenbei kritisch-unabhängige Berichte über Kapitän, Trainer etc. „seiner“ Mannschaft für ein Monatsmagazin verfasst, mühte sich semi-eloquent durch Begrüßung und Mannschaftsaufstellung – mit einer Tonanlage, deren Qualität höchstens für den Kultursaal Pusarnitz eine adäquate Beschallung ermöglicht. Der erstaunlicherweise problemlos funktionierenden Videowall sei Dank wussten die geneigten Besucher dann doch noch, welchen Ballkünstlern sie hier auf die Beine blicken durften. Die wahren Protagonisten dieses Abends waren aber ohnehin auf den Zuschauerrängen zu finden. Sorgenfalten, zornesrote Gesichter, biergeschwängerte Gestik, Verbalinjurien: niemand leidet so schaurig-schön, wie der violett-weiße Fußballfan, nicht nur wenn er die Bratwurst zurückgeben muss, weil sie innen noch kalt ist. Ehre wem Ehre gebührt, die folgenden Zeilen bestehen überwiegend aus Originalzitaten der Fangemeinde.

Die Austria begann gegen die Linzer Teenager-Gang ambitioniert, unter orchestraler Leitung von „Aladin“, wie die Fans den Routinier und vehementen Kämpfer für das kleine und große Glücksspiel, Almedin Hota, liebevoll zu nennen pflegen. Seine einarmigen Banditen, pardon Mitspieler, entpuppten sich jedoch eher als Stehlampen denn als Wunderlampen. „Du Tausendfüßler!“, nannte es ein verzweifelter Unterstützer, der die Angst vor dem Torschuss respektive dem Ball zu erkennen glaubte. „Sigiiiiiiii“ Rasswalder durfte sich besonders häufig mit dem Spielgerät auseinandersetzen, was im zahlreiche Unterstützungsrufe von weiblicher Seite einbrachte. Dann war da noch „Sabeeeeeee“ alias Christian Sablatnig – ein Mann und sein Wohlstandsbauch kämpfen gegen das Unrecht. Ein ehemaliges Riesentalent, dass in seiner Karriere so ziemlich alles falsch gemacht haben dürfte, gestern aber zumindest zum verdienten 1:0 einnetzen konnte. Und das sogar nach einer Flanke, obwohl die meisten davon laut einem Zuschauer nicht einmal im „Niavara“ (hat das was mich Michael Niavarani zu tun?? oder den "Niavara"-Fällen??) landen.

Dass Kapitän Matthias „Mothe“ oder „ich verhandle mit einer streng geheimen Investorengruppe und bin deshalb etwas ausgelaugt“ Dollinger immer wieder ostentativ und wohl schwerkraftbedingt zu Boden ging echauffierte das Publikum doch ein wenig: „Lass dich auswechseln, wenn du weh hast!“ oder „Dolli, tua nit Handischwitzen mit dem Schiri“. Zur Pause war man sich trotz knapper Führung einig, dass man so wohl bald nur noch in der „Gletscherliga“ reüssieren kann. Der selbsternannte Trainer Dietmar T., ein als cholerisch verschriener Steuerberater und Hansdampf in allen Gassen, sah vorerst dennoch keine Veranlassung für einen Spielerwechsel. „Schau wie a jetzt da unten steht mit seiner grauen Hose und der Designerlederjacke“, bemerkten die aufmerksamen Beobachter beim Anblick des Trainers zu Beginn der zweiten Halbzeit. Eisbär Helmut hätte den Mann an der Seitenlinie in seinen bösen Zeiten wohl als „Mourinho für taubstumme Sozialhilfeempfänger“ denunziert, aufgrund fortschreitender Altersmilde tut er das jetzt aber dezidiert nicht mehr.

Für Erheiterung sorgte auch Stürmer „Bürge“, zu dessen Stärken definitiv nicht das Stoppen eines Balles oder das Erzielen eines Tores beim alleinigen Auftauchen vor dem Torhüter zählen. „Werst ja nit den Bürger anspielen“, erschallte der gut gemeinte Rat Richtung Spielfeld. Als Bürg(l)er Lars Dietrich kurz vor dem Ende nach einer rüden Attacke noch eine Gelbe Karte präsentiert bekam, war das Urteil gefällt. „Der steigt ja eine wie a Kuah.“ Bleibt dem „Bürge“ die Hoffnung vielleicht noch als Kuh durchzustarten, „Yvonne“ hat in diesem Sommer bewiesen, dass sich damit doch ein bisschen mehr als "15 minutes of fame" ausgehen können. Fußballstar wird aus dem Herrn in diesem Leben keiner mehr.


Der Rest des Abends war Makulatur, die Austria gewann dieses Spiel mit 2:1, der Trainer der Gäste sieht Ricardo Moniz zum Verwechseln ähnlich, „Mothe“ war ob seiner Auswechslung kurz vor Schluss erbost, Rufe nach Bu-Bu-Bubalo wurden laut, der geschätzte 37 Mitglieder umfassende Fanklub skandierte „Oh, wie ist das schön“ und präsentierte eine selbstchoreographierte Polonaise. Der "Traditionsklub" könnte sich übrigens bald schon wieder in die ewigen Jaggründe verabschieden.

PS: Ob der sportliche Leiter Heimo V. an diesem Abend von den Kollegen ins Auto getragen wurde, um sie alle heimzubringen, ist bis dato übrigens nicht überliefert…

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