Jetzt ist schon wieder etwas passiert. Nach seiner Nicht-Distanzierung vom Nationalsozialismus in einem Interview mit der Kleinen Zeitung hat die FPÖ also den Gurker Bürgermeister Siegfried Kampl aus der Partei geworfen. Jahrzehntelang hat dessen Gedankengut niemanden bei den Freiheitlichen wirklich gestört, auf die Aussagen 2005 im Bundesrat wurde nach öffentlichem Druck halbherzig reagiert. Für sein Uni-Projekt "Sud" hat Eisbaer Helmut den Haider-Schulterer Kampl nach dem erfolgreichen Gemeinderatswahlkampf 2009 in Gurk besucht und auch so einiges Fragwürdiges zu hören bekommen. Die Staatsanwaltschaft hätte das, im Gegensatz zu heute, damals wohl kaum interessiert - vielleicht tut sich also doch etwas in diesem Land. Nachfolgend (und bis dato unveröffentlicht) Porträt und Interview aus dem Sommer 2009. . .
Kampl
auf der Flucht
‚Frisch
gekamplt’ steht auf den kleinen, orangefarbenen Kämmen, die Siegfried
Kampl im Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlkampf in Gurk verteilt hat.
‚Frisch gekamplt’ präsentiert er sich auch, der langjährige Bürgermeister
der, vor allem bei römisch-katholisch Gläubigen bekannten, Marktgemeinde
Gurk. Glatt rasiert, das weißgraue Haar säuberlich gekämmt, der
Scheitel exakt gezogen. Dazu eine Trachtenjacke, mit der der 72-Jährige seine
Heimatverbundenheit ostentativ unterstreicht. Gemeinsam mit seinem treu
dienenden Vizebürgermeister Karl Felsberger empfängt uns Kampl am frühen
Abend im Gemeindeamt. Felsberger scheint bei einem Festakt am Nachmittag
in beachtlicher Feierlaune gewesen zu sein und wird zum argwöhnischen
Beobachter des Gesprächs.
Seit
1991 fungiert Siegfried Kampl als Bürgermeister von Gurk, schon 1979 war
er als Ortsparteiobmann der FPÖ in den Gemeinderat gekommen und zum Vizebürgermeister
gewählt worden. Als national und sehr heimatverbunden bezeichnet
sich Kampl selbst. Er, der Bürgermeister der ersten Europagemeinde
Österreichs. Widerspruch sieht er darin keinen. „Ich habe den Slogan
‚Gurk ist die Stätte europäischer Begegnung’ erfunden. Europa ist unsere
große, gemeinsame Heimat. Aber zuerst kommt einmal unsere Gemeinde und
erst danach das Land, Österreich und Europa.“
Siegfried
Kampl ist also ein glühender Europäer? Oder doch ein nationales freiheitliches
Urgestein? Mittlerweile haben wir am großen, dunklen, aus Massivholz
gefertigten Konferenztisch im Besprechungszimmer des Gemeindeamts,
gleich neben dem Bürgermeisterbüro, Platz genommen. Das gesamte
Amtsgebäude verbreitet 70er Jahre Charme, wirkt verstaubt und in der Vergangenheit
stecken geblieben.
Im
Gegensatz zu vielen seiner Gesinnungskollegen hatte die politische Karriere
von Siegfried Kampl bereits Jahre vor dem Aufstieg Jörg Haiders begonnen.
Auf dem legendären FPÖ- Parteitag 1986 in Innsbruck ließ Kampl Haider
auf seinen Schultern hochleben, gemeinsam mit dem späteren ‚Nazi-Buchstabierer’
Reinhart Gaugg. Jahrelang hat er Haider politisch begleitet
und unterstützt. Als Bezirksparteiobmann in St. Veit, Landtagsabgeordneter
und später als Bundesrat. „Ich war nicht einer, dem der Jörg
immer hat helfen müssen, sondern ich habe immer versucht selbst etwas einzubringen",
sagt Kampl. 2004 dann die Spaltung der FPÖ und die Gründung des BZÖ, Kampl
folgt Haider in das neue Bündnis und bleibt Abgeordneter zum Bundesrat.
Kampl glaubt heute an eine Wiedervereinigung, „weil für mich die FPÖler
die gleichen sind, ich sehe da keinen Unterschied“.
Kampl
wurde immer als einer der wenigen bezeichnet, der sich traute, Jörg Haider
zu kritisieren. „Jede schwierige Situation haben wir bei mir daheim gelöst,
die Probleme mit Steger, Ferrari-Brunnenfeld oder Reichhold. Wir haben
Ruhe und einen Platz gebraucht, wo uns niemand stört und kein Mensch weiß,
wo wir sind. Und es war immer etwas Besonderes mit dem Jörg.“ Auf die enge
Beziehung zu Jörg Haider weisen mehrere Bilder im Bürgermeisterbüro hin, auf denen
die beiden gemeinsam zu sehen sind. Im Konferenzraum lehnt ein Haider-Plakat
aus dem vergangenen Nationalratswahlkampf.
Am
14. April 2005 wird im Bundesrat, aufgrund einer dringlichen Anfrage und anlässlich
von 60 Jahren Zweiter Republik, über die Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren
diskutiert. Im Rahmen dieser Debatte spricht der Abgeordnete
Siegfried Kampl davon, dass Deserteure zum Teil Kameradenmörder gewesen
seien und dass es nach dem Zweiten Weltkrieg eine Naziverfolgung gegeben hätte.
Die Folge: keine aufgeregten Zwischenrufe, kein Ordnungsruf, keine
Sitzungsunterbrechung. „Der Vorsitzende im Bundesrat hat sogar alle für
die sachlichen Beiträge gelobt und sich bedankt“, sagt Kampl heute, vier Jahre
nach der schwärzesten Stunde seiner politischen Laufbahn. „Hätte es einen
Ordnungsruf gegeben, dann wäre ich vielleicht hellhörig geworden und hätte
ein anders Wort sagen können.“
Die
mediale Aufregung folgt dann einen Tag später, „weil die heutige Volksanwältin
Teresia Stoijsits von den Grünen bewusst angefangen hat, einen Wirbel
zu inszenieren“, behauptet Kampl. Danach echauffieren sich die nationale
und internationale Presse und die politischen Gegner, Kampl kündigt
zwei Wochen darauf seinen Rückritt als Bundesrat an, um diese Entscheidung
einen Tag danach wieder zurückzunehmen. Eine eigens verabschiedete
‚Lex Kampl’ verhindert, dass der FPÖler turnusmäßig den halbjährigen
Vorsitz im Bundesrat übernimmt. Der Kärntner verlässt schließlich
den freiheitlichen Klub, bleibt aber bis zum Ende der Legislaturperiode
in diesem Jahr Abgeordneter im Bundesrat.
Der
Wiener Historiker Gerhard Jagschitz gab Kampl später zumindest in einem kleinem
Segment Recht. Von einer Naziverfolgung könne zwar keine Rede
sein, „jedoch habe es nach dem Zweiten Weltkrieg eine schwere Ungleichbehandlung
gegeben“. Die Entnazifizierungsprozesse waren durch umfangreiche
Interventionen gekennzeichnet. „Wer am Anfang dran kam, wurde wesentlich
härter bestraft“, sagte Jagschitz in einem Interview mit der "Presse".
Der Beitritt zu einer Partei, vor allem zu SPÖ und ÖVP, hat vielen ehemaligen
Nationalsozialisten eine harte Strafe oder sogar Anklage erspart. Der
Aufarbeitung und Offenlegung der Rolle Österreichs im Nationalsozialismus
war das wenig dienlich, stattdessen wurde vieles einfach stillschweigend
zur Kenntnis genommen, so der Historiker.
Schweigen
war auch bei Siegfried Kampl jahrelang Gold, bis zu diesem 14. April
2005. „Ich habe bei meiner Rede betont, dass ich noch nie darüber gesprochen
habe.“ Im Bundesrat berichteten die Abgeordneten über persönliche Erlebnisse
und Erzählungen ihrer Vorfahren: Die vier Söhne einer Osttiroler Familie,
die im Gefängnis und im Konzentrationslager gelandet sind, weil sie desertieren
wollten. Der Vater eines Abgeordneten, der wenige Monate vor Kriegsende
in der Uniform der Deutschen Wehrmacht gefallen ist. Siegfried Kampl
erzählt über Soldaten, die an der Eismeerfront übergelaufen sind und ihre
eigenen Kameraden, unter anderem einen seiner Cousins, erschossen haben.
Über katastrophale Zustände nach dem Krieg in Kärnten, über ehemalige Nazis,
die verfolgt und brutal ermordet wurden. Väter, die vor den Augen ihrer
Kinder erschossen wurden, über den elterlichen Hof, den er nie mehr sehen
sollte.
Über
die dunkelste Stunde seiner politischen Karriere redet er genauso ungern
wie über die Vergangenheit. „Eigentlich habe ich mit der ganzen Geschichte
abgeschlossen.“ Er will nicht in eine politische Ecke gedrängt worden.
„Ich habe mein Leben lang nie den Nationalsozialismus verherrlicht.“ Wenn
es den Hitler nicht gegeben hätte, wäre Österreich jetzt kommunistisch, hat
Kampl einmal im Morgenjournal gesagt. Zu diesen Aussagen steht er, weil man
sich die Situation in der 30er Jahren anschauen müsse. „Arbeitslosenkolonnen,
das Elend, die Verarmung. Dass dieser Lichtblick so endet,
hätte wohl keiner gedacht. Aber es hat dann auch positive Sachen gegeben.
Die Kinderbeihilfe ist eingeführt worden, die Kirchensteuer und die sozialrechtliche
Absicherung der Landarbeiter."
Dann
erzählt er doch noch über die Tage und Wochen nach seiner Rede im Bundesrat.
„Die ganze Aufregung hat mir sehr wehgetan, es war ein ziemlicher Einschnitt.“
Kampl taucht eine Woche unter und fährt mit seiner Frau in die Steiermark,
in Peter Roseggers Waldheimat. „Dort hat uns der Verwalter begrüßt
und gefragt: Grüßgott Herr Kampl, sind Sie auf der Flucht?“ Als Peter
Mitterer am 1. Juli 2005 an seiner Stelle als Präsident des Bundesrats angelobt
wird, kommt auch Kampl zu Wort. „Meine lieben Kollegen, das tut weh! Wie man da behandelt wird, wie der BSE-Fall
von Vorarlberg“, sagt er.
Heute
tut es nicht mehr weh, behauptet Kampl. Weh tut, dass er seinen langjährigen
politischen Wegbegleiter überlebt hat. „Ich war immer an der Seite
von Jörg Haider. Der Jörg ist für mich in der schwierigen Situation da gewesen
und hat mich angerufen. Und auch sonst habe ich immer Unterstützung von
ihm bekommen.“ „Haider ist umgebracht worden“, wirft Vizebürgermeister Felsberger
mit hochrotem Gesicht ein. Kampl schweigt.
Am 1.
März 2009 ist Siegfried Kampl mit 58 Prozent der Stimmen in seinem Amt als
Bürgermeister der Marktgemeinde Gurk bestätigt worden. Jetzt wartet eine weitere
Legislaturperiode im Ausmaß von sechs Jahren. ‚Frisch gekamplt’,
versteht
sich.
„Soldaten,
die ihre Kollegen erschossen haben, sind und bleiben Mörder“
Sud:
Herr Kampl, vor vier Jahren haben ihre Aussagen im Bundesrat für
Riesenaufregung
gesorgt. Was wollten Sie damals, am 14. April 2005, zum
Ausdruck
bringen?
Kampl:
SPÖ und Grüne haben eine dringliche Anfrage gestellt, dass alle
Deserteure
eine Auszeichnung von der Republik Österreich bekommen sollen.
Bei
der Debatte haben dann alle über ihre Erfahrungen und Schicksale im
Verwandtenkreis
erzählt. Ich war als neunter Redner an der Reihe und habe
berichtet,
wie ich und meine Familie das Jahr 1945 erlebt haben. Als die
Deserteure
gekommen sind, musste mein Vater am Kücheboden knien und wir
Kinder
haben zugeschaut.
Sud:
Zwei Zitate aus ihrer Rede im Bundestag sind immer wieder aufgetaucht: ‚Deserteure
waren Kameradenmörder’ und ‚brutale Naziverfolgung nach dem Zweiten
Weltkrieg’. Stehen Sie zu diesen Aussagen?
Kampl:
Das hab ich so nie gesagt, das kann man auch im Protokoll nachlesen.
Ich
hab gesagt, ‚jene, die ihre Kollegen ermordet haben, sind und bleiben
Mörder’.
Sud:
Würden Sie diese Aussagen heute noch einmal so tätigen?
Kampl:
Ich würde es heute wieder sagen, aber vielleicht ein bisschen anders.
Sud:
Wie würde sich das heute anhören?
Kampl:
Ich muss ja nicht sagen ‚Mörder’, und könnte stattdessen ein anderes
Wort
finden. Wenn es einen Ordnungsruf gegeben hätte, dann hätte ich diese
Wortwahl
mit Bedauern zurückgezogen. Ich war drei Perioden im Kärntner
Landtag
und habe nie einen Ordnungsruf bekommen! Ich war sicher scharf und
kritisch,
aber nie beleidigend. Für meine Aussagen habe ich mich nicht
entschuldigt,
und bin heute sehr froh darüber. Ich habe nichts Falsches
gesagt
und stehe dazu!
Sud:
Sind Sie verbittert wegen dieser ganzen Geschichte im Bundesrat?
Kampl:
Nein, das bin ich nicht, aber mir hat die Aufregung schon ziemlich
wehgetan.
Das Telefon hat ständig geläutet und über 3.000 Mails und Faxe
sind
eingelangt, wobei aber nur 32 davon negativ waren. Es war also ein
ziemlicher
Einschnitt, deshalb bin ich mit meiner Frau weggefahren, eine
ganze
Woche lang. Zuerst in die Steiermark, in Peter Roseggers Waldheimat.
Dann
sind wir weitergefahren nach Mariazell…
Sud:
Sie wollten also Ihre Ruhe haben?
Kampl:
Ja, genau. Für mich war das einfach nicht leicht, weil ich in einer
Ecke
war, in die ich nicht gehöre. Ich bin eigentlich ein fröhlicher Mensch,
ein
Mensch der offen ist und der seine Meinung sagt. Aber das ist wirklich
nicht
angenehm, wenn du so im Schussfeld bist. Und ich habe das dann in
meiner
Rede, damals als Peter Mitterer angelobt wurde (Anm. zum Präsidenten des
Bundesrates), auch betont. Ich habe gesagt: „Meine lieben Kollegen, ich wünsche
das niemandem von euch! Wie man da
behandelt wird, wie der BSE-Fall von
Vorarlberg. Liebe Kollegen, das tut weh“!
Sud:
Tut’s heute noch immer weh?
Kampl:
Nein, mit der Zeit habe ich das vergessen und verdrängt. Aber dass
mir
zwei Gerichte Recht gegeben haben (Anm. Klagen gegen mehrere Medien),
und
die Generalprokuratur dann die Urteile revidiert und ich 60.000 Euro
zahlen
muss, das tut weh. Das lässt mich an der Demokratie zweifeln,
deswegen
will ich von der ganzen Geschichte eigentlich gar nichts mehr
wissen.
Sud:
Verstehen Sie es prinzipiell, dass Soldaten damals desertiert sind?
Kampl:
Das verstehe ich schon, aber ein Deserteur ist und bleibt ein
Fahnenflüchtiger.
Er hat als Soldat einen Eid abgelegt, dass er den für den
Führer
abgelegt hat, ist eine andere Geschichte. Aber wenn er sich gegen das
Regime
stellt, muss er abhauen und nicht seine Kollegen erschießen. Kurz vor
Kriegsende,
am 5. Mai 1945, ist im Metnitztal zum Beispiel ein Scharfschütze
nachhause
gekommen und hat drei Menschen erschossen. Einen
Gendarmeriebeamten,
einen Kaufmann, und einen Bauern. Die Kinder mussten das
mit
ansehen. Auch in meinem Heimatort Steuerberg ist ein Bauer vor den Augen
seiner
Kinder erschossen worden. Aufgrund dieser Erfahrungen hab ich das
erzählt.
Sud:
Sie waren damals 9 Jahre alt. Wie haben Sie das Jahr 1945 erlebt?
Kampl:
Meine Mutter war verstorben, mein Vater war in Wolfsberg. Dann ist
der
Vermögensverfall gekommen und ich habe mein Elternhaus verloren. Meine
Geschwister
habe ich jahrelang nicht gesehen. Ich bin zu einer Großmutter
gekommen,
dann zu einem Onkel, zur zweiten Großmutter und dann zu einem
Onkel
auf den Berg rauf. Dort war ich dann auch bis zum Beginn meiner
Ausbildung.
Ich wäre gern Tierarzt geworden, aber niemand hat mich
unterstützt,
das hat mir wehgetan. Und über diese Erfahrungen habe ich
versucht
im Bundesrat zu erzählen. Mein Schlusswort war: "Wir sollten alles
tun
und wachsam sein, dass eine solche Zeit nie mehr passiert!"
Sud:
‚Eine solche Zeit’ heißt jetzt 1939 bis 1945 oder die Nachkriegszeit?
Kampl:
1939 bis 1945 natürlich. Ich habe mein Leben lang nie den
Nationalsozialismus
verherrlicht. Ich habe das alles miterlebt. Man soll
mich
dort lassen wo ich bin und nicht versuchen mich in eine Ecke zu
drängen.
Sud:
Es werden Ihnen noch andere Aussagen zugeordnet, zum Beispiel: "Wenn es
den
Hitler nicht gegeben hätte, wäre Österreich jetzt kommunistisch".
Kampl:
So habe ich das nicht gesagt. Das war ein Interview im Morgenjournal
und
da habe ich gesagt, es sind damals auch positive Sachen geschehen. Die
Kinderbeihilfe
ist eingeführt worden und die Kirchensteuer.
Sud:
Dazu gibt’s eine weiteres Zitat von Ihnen – „wenn es das
achtunddreißiger
Jahr nicht gegeben hätte, hätte die Hälfte der Bauernhöfe
zusperren
müssen".
Kampl:
Das war in demselben Interview und dazu stehe ich auch. Ich habe das
selbst
nicht erlebt aber weiß es aus Erzählungen von Eltern und Verwandten.
Davor
hat es keine sozialrechtliche Absicherung der Landarbeiter gegeben,
die
mussten bei den Bauern im Stall schlafen. Und das war meine Aussage, das
war
positiv damals.
Sud:
Aber wie kann man diese Errungenschaften positiv bewerten, wenn dem
Gräueltaten
und Mord an Millionen von Menschen gegenüberstehen?
Kampl:
Natürlich war so vieles negativ, dass das Positive sehr in den
Hintergrund
getreten ist. Aber Sie müssen sich die 30er Jahre anschauen –
Arbeitslosen-Kolonnen,
Verarmung, und dann kam eben dieser Lichtblick. Dass
der
so endet, das hätte wohl keiner gedacht! Das verherrliche ich aber
nicht!
Ich glaube nur, dass es angebracht ist, ein wenig ehrlich zu sein.
Sud:
Waren die Verbrechen in der Nachkriegszeit vergleichbar mit den
Kriegsverbrechen?
Kampl:
Nein, das waren ja nur Einzelfälle, die ich dargestellt habe, aber
für
die war das natürlich genauso tragisch. Ich bin mit einem Mädchen in die
Schule
gegangen, deren Vater, sie waren insgesamt 12 Kinder, erschossen
worden
ist. Mein Vater hätte auch erschossen werden können, aber seine
Arbeiter
sind dazwischen gegangen, das hat ihn gerettet.
Sud:
Welche Rolle spielte ihr Vater im Krieg und in der Nachkriegszeit, er
ist
ja auch als Kriegsverbrecher angeklagt worden?
Kampl:
Er soll im Jahr 1943 eine Frau denunziert haben, die über die Nazis
geschimpft
hat. 1947 ist er dafür angeklagt und verurteilt worden, obwohl er
nie
bei einer Verhandlung war. Aber mein Vater war kein Kriegsverbrecher, er
war
ein guter Mensch! Sonst hätten sich nicht seine russischen und
polnischen
Arbeiter vor ihn hingestellt, als die Partisanen gekommen sind.
‚Guter
Chef, guter Chef’ haben sie gerufen und haben ihn abgeschirmt. Aber
Sie
müssen sich vorstellen, 2005 habe ich das erste Mal darüber geredet.
Sud:
Nach dem Krieg wurde offenbar beschlossen über manche Dinge nicht zu
sprechen,
noch heute bleibt die fehlende Aufarbeitung…
Kampl:
Alles hätte man aufarbeiten sollen, dieses ganze Regime! Dass das für
Millionen
Menschen eine Katastrophe war, aber man hätte auch sagen müssen,
kleine
Teile waren gut. Dann ist man ja viel glaubwürdiger! Und eines muss
ich
noch sagen – ein Herr Gudenus ist im Bundesrat immer neben mir gesessen,
obwohl
ich mit dem überhaupt nichts zu tun hatte. Wir wurden in einen Topf
geworfen.
Sud:
John Gudenus (Anm. Abgeordneter der FPÖ) war jahrelang ihr Kollege im
Bundesrat.
Er hat mit seinen Aussagen immer wieder für Aufregung gesorgt und
zum
Beispiel die Existenz von Gaskammern geleugnet. Welche seiner Ansichten
teilen
Sie denn?
Kampl:
Überhaupt gar keine! Ich kann nichts dafür, dass ich neben dem sitzen
musste.
Der Gudenus lebt ja in einer anderen Welt, er war mir immer zu
extrem.
Wenn Sie mit dem reden, merken Sie bei jedem Wort seine merkwürdige
Einstellung.
Sud:
Herr Kampl, Sie bezeichnen sich selbst als ‚heimatverbunden’ und
‚national’.
Was soll das heißen – ‚national’?
Kampl:
National heißt für mich bodenverbunden, ich liebe meine Gemeinde und
mein
Land. Ich halte viel von Freundschaft, von unseren Vätern, vom Kärntner
Abwehrkampf
- das ist für mich national und hat einen hohen Stellenwert.
Sud:
Ihr langjähriger Parteichef Jörg Haider hat den österreichischen Staat
einmal
als ideologische Missgeburt bezeichnet. Sehen Sie das auch so?
Kampl:
Nein! Und der Jörg hat sich selbst sehr darüber geärgert und wusste,
dass
das falsch war. Im kleinen Kreis hat man ihm das auch gesagt. Aber er
hat
das auch irgendwie gebraucht, weil die Medien natürlich wieder über den
Jörg
Haider geschrieben haben.
Sud:
Das Zitat ist dann jahrelang immer wieder aufgetaucht.
Kampl:
Aber er ist zum Schluss ein ausgewogener und sehr guter Politiker
geworden.
Kärnten hat wirklich um ihn getrauert, nicht nur seine Anhänger,
sondern
viele andere auch.
Sud:
Sie waren ja jahrzehntelang an seiner Seite – auch beim legendären
Parteitag
1986 in Innsbruck…
Kampl:
Ich war immer an seiner Seite. Ich war ja damals schon
Bezirksparteiobmann
in St. Veit, als der Jörg überhaupt erst nach Kärnten
gekommen
ist. Ich bin nicht erst was geworden, als er gekommen ist. Aber
jetzt
ist der Jörg nicht mehr und damit habe ich natürlich ein Problem.
Sud:
Jörg Haider ist im Laufe seiner politischen Karriere immer wieder durch
viel
kritisierte Aussagen aufgefallen – ‚ordentliche Beschäftigungspolitik’
oder
seine Rede vor den SS-Veteranen in Krumpendorf. Gibt’s irgendeine
Aussage
von Jörg Haider, bei der Sie gesagt haben, das war jetzt ein Schritt
zu
weit?
Kampl:
Da waren schon einige Bemerkungen, die ich so nicht gesagt hätte.
Aber
mir hat zum Beispiel auch heute im Landtag eine Aussage nicht gepasst…
Sud:
Welche Aussage?
Kampl:
Dass ein politischer Gegner als Rohrspatz bezeichnet wird,
widerspricht
mir. Wenn ich ihm etwas sagen will, dann sag ich ihm unter vier
Augen
‚Du bist ein Trottel’ oder so was.
Sud:
Wäre es für Sie eine Option wieder zur FPÖ zurückzuwechseln?
Kampl:
Nein, warum? Für mich sind die FPÖler die gleichen, muss ich Ihnen
sagen.
Ich sehe keinen Unterschied.
Sud:
Wie zufrieden sind Sie denn mit der aktuellen BZÖ Führungsriege?
Kampl:
Was heißt zufrieden? Faktum ist, die sind jetzt da, die haben das
Sagen.
Wenn ich mir die Roten und die Schwarzen anschaue, dann ist unsere
Mannschaft
noch immer die Beste.
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